Mittwoch, 20. November 2013

Fotografieren mit Cinefilm IV - oder: Die Stunde der Wahrheit

Die erste Rolle Film hatte ich ja mit der Szenerie vollgeschossen, die ich im letzten Artikel beschrieben habe. Seitdem hat der Film ungeduldig darauf gewartet, entwickelt zu werden. Vergangenen Freitag habe ich dazu endlich Zeit gefunden.

Mein C41-Entwicklungskit ist in der Zwischenzeit natürlich schon angekommen, aber wie erwähnt hatte ich ja geplant, die erste Testrolle in Schwarzweiß-Chemie zu entwickeln. Deshalb habe ich mein vor ca. einem halben Jahr angesetztes XTOL aus dem Keller geholt, das noch prima funktioniert.

Zuerst hatte ich aber die Schwierigkeit, dass ich im Dunklen genau so viel Film von der belichteten Rolle abschneiden und für den Entwicklungstank aufspulen muss, dass möglichst genau die ersten fünf Bilder drauf sind (Belichtung 0, -1, -2, +1, +1). Nicht mehr und nicht weniger. Also zuerst geschätzt, wie lange das Stück ist, das ich rausziehen muss, damit die F4 mit ihren Walzen die Perforation greifen kann und von dort an 40 Löcher mit dem Finger abgegrabbelt. "Warum 40?" fragt sich jetzt vielleicht der Eine oder Andere. Ganz einfach: Jedes Negativ ist acht Perforationslöcher breit und ich hatte fünf Bilder abzuschneiden. Und fünf mal acht ergibt 40. Nachdem der Streifen abgeschnitten war, habe ich ihn in die Spule bugsiert und in die Entwicklungsdose verfrachtet. Ist irgendwie irritierend, wenn nur ungefähr eine gute Umdrehung notwendig ist, damit alles aufgespult ist. Aber gut, irgendwie war's ja schon klar. In der Dunkelheit habe ich dann noch die Rolle mit den restlichen Belichtungsreihen in eine schwarze, lichtdichte Filmdose gepackt und den Anfang aus dem Patronenmaul stehen lassen, um für den nächsten Test ganz praktisch weiterarbeiten zu können.

Im Anschluss ging es in der Küche weiter mit 400ml XTOL 1:1 bei 20°C. Vorgeschrieben sind laut AP-Entwicklungsdose zwar nur 375ml, aber sicher ist sicher. Außerdem sind 400ml auf Grund der Teilstriche am Messbecher auch viel prozesssicherer abzumessen. Von der Menge der Entwicklersubstanzen her hat sich das XTOL wahrscheinlich gelangweilt, weil ja nur sehr wenig Filmfläche am Start war. Dennoch darf die Füllmenge nicht unterschritten werden, damit zwischen den Kipps die Filmspule stets komplett im Entwickler steht. Ich habe mich entschieden, diesen ersten Filmstreifen zehn Minuten lang zu entwickeln. Zehn Minuten sind erstens kein besonders exotischer Wert, wenn man sich die XTOL-Zeiten für andere Filme anschaut und erschienen mir daher relativ vernünftig, da ich ja filmtechnisches Neuland betrete. Und zweitens sind zehn Minuten eine schön griffige Zeit. Allein deswegen habe ich nicht neuneinhalb oder zehndreiviertel Minuten gewählt, obwohl sich die Ergebnisse wahrscheinlich nicht extrem unterschieden hätten.

Der Prozess selbst lief schließlich folgendermaßen ab:
  1. Entwicklung 10min; die ersten 30s nach dem Eingießen Dauerkipp; anschließend alle 30s dreimal kippen.
  2. Zwischenwässerung 1min; Dauerkipp
  3. Erneute Zwischenwässerung 1min; Dauerkipp
  4. Fixieren 5min; die ersten 30s nach dem Eingießen Dauerkipp; anschließend alle 30s dreimal kippen
  5. Schlusswässerung:
    1. 4x kippen
    2. 8x kippen
    3. 16x kippen
    4. 32x kippen
Hier werden möglicherweise gleich zwei große Fragen aufgeworfen: Warum habe ich zweimal je eine Minute zwischengewässert und was ist überhaupt mit der rem-jet-Beschichtung?

Wie in meinem zweiten Artikel bereits beschrieben, scheint diese ja durch das Entwicklerbad zu verschwinden. Beim Entwickler selbst hatte ich leider nicht darauf geachtet, jedoch bilde ich mir ein, beim Ausgießen der ersten Zwischenwässerung eine leichte Graufärbung des Wassers entdeckt zu haben. Daher habe ich zur Sicherheit nochmal zwischengewässert, um vielleicht noch mehr rem-jet abspülen zu können. Schließlich soll das anschließende Fixierbad ja mehrfach verwendet werden und deshalb so wenig wie möglich verschmutzt werden.

Und dann kam der Moment der Wahrheit. Dose auf, alles nochmal kurz unter fließendem Wasser abspülen und dann die Negative betrachten. Auf den ersten Blick Beruhigung - es ist überhaupt etwas zu sehen. Auf den zweiten Blick waren da auch tatsächlich alle fünf Negative drauf, die ich gebraucht habe. Leider auch ein halbes sechstes, so dass mir beim nächsten Filmstreifen wohl leider auch nur ein halbes Negativ zur Verfügung stehen wird, um die Referenzbelichtung mit EV+-0 zu beurteilen. Außerdem hatte ich den Streifen wohl ein bisschen schief abgeschnitten, aber was soll's. Hier hab ich mal ein Foto eingebaut, damit sich der geneigte Leser unter all dem Geschriebenen auch was vorstellen kann:
Die Belichtungsreihe EV+-0, -1, -2, +1, +2 und ganz rechts das angeschnittene Negativ EV+-0 der nächsten Reihe




Wie man sieht, ist auf allen fünf Negativen zu meiner großen Freude gut die Szene zu erkennen. Ganz falsch scheine ich mit meiner ersten Schätzung von 10 Minuten Entwicklungszeit also gar nicht gelegen zu haben. Ich habe alle fünf Negative eigescannt (Epson V500, Software: Epson Scan) und versucht, mit wenig Aufwand so viel Durchzeichnung wie möglich aus jedem der Bilder herauszuholen. Eine kleine Bilderstrecke:


EV-2

EV-1

EV+-0

EV+1

EV+2

Wie man sieht, habe ich mir für diese erste Betrachtung nicht die Mühe gemacht, die Bilder zu entstauben. Tut ja auch nicht wirklich Not, um eine Beurteilung vorzunehmen, da ich mir die Fotos ja nicht an die Wand hängen will. Zu erkennen ist eindeutig, dass das um zwei Stufen überbelichtete Negativ am besten durchzeichnet ist. Unterm Schreibtisch wird die Maserung des Holzes sichtbar, während dennoch die hellste Stelle an der Wand nicht ausfrisst.

Nachdem ich den noch nassen Filmstreifen aus der Spule befreit hatte, waren noch ganz leichte unkle Schlieren auf der Trägerseite des Films zu sehen. Sie ließen sich sehr einfach mit einem Stück Küchenpapier entfernen, welches anschließend so aussah:

rem-jet-Reste von der Filmrückseite auf dem Küchenpapier
 Des Weiteren fanden sich auch auf der Entwicklungsspule kleine Mengen rem-jet:

rem-jet-Reste an der Entwicklungsspule
Alles in allem sind das in meinen Augen jedoch keine schlimmen Rückstände; sie ließen sich auch sehr leicht entfernen. Was man immer mal wieder in Foren o.Ä. liest, dass rem-jet-Partikel sich auf der Emulsion festsetzen würden, kann ich zum aktuellen Zeitpunkt absolut nicht bestätigen. Möglicherweise tritt dieses Phänomen aber auch erst dann auf, wenn mehrere Windungen eines kompletten 36er-Films eng nebeneinander auf der Spule sind. Ggf. werde ich natürlich berichten.

Im nächsten Schritt werde ich die Entwicklungszeit verlängern, um herauszufinden, ob ich dadurch noch ein kleines bisschen mehr Struktur in den dunklen Bereichen erzielen kann. Ich glaube es eher weniger, aber versuche werde ich es. Dem aktuellen Stand zufolge hätte der Film für schön durchzeichnete Negative nur eine Empfindlichkeit von 125 ASA. Andererseits ist der Kontrastumfang der Szene schon wirklich sehr hoch und es ist fraglich, ob das digital weichgeklopfte Negativ EV+2 in einer optischen Vergrößerung auch tatsächlich noch auf Papier mittlerer Gradation gebracht werden könnte. Aber dazu später evtl. mehr, falls ich dazu komme. Des Weiteren ist nicht klar, ob man die Nennempfindlichkeit eines Farbnegativfilms bei Schwarzweiß-Entwicklung überhaupt 1:1 übernehmen kann oder ob man dabei Empfindlichkeit verliert.

Davon abgesehen muss ich fairerweise ein paar Worte zu den Unterschieden in der Belichtung von Negativfilm und digitalen Sensoren verlieren. Beim digitalen Referenzbild habe ich mittenbetont die Belichtung gemessen und einfach abgedrückt. Das gezeigte JPG kam so aus der Kamera.

Idealerweise würde man eine solche Szene, um den Konstrastumfang voll auszuschöpfen, anders angehen. Zunächst sollte die Empfindlichkeit so niedrig wie möglich gewählt werden, weil hier der Sensor mehr Kontrast bewältigen kann. Vielleicht könnte man zumindest fairerweise 500 ASA einstellen, genau wie beim Filmmaterial. Des Weiteren würde man bei einem Bild mit hohem Kontrastumfang, das man später vielleicht mal ausdrucken oder sich an die Wand hängen möchte, eher auf die Lichter belichten. Das heißt, es wird (am besten per Spotmessung) die hellste Stelle der Szene ausgemessen, die gerade noch nicht ausgebrannt sein soll und gibt dann auf diesen Wert drei Blenden zu, wenn man annimmt, dass der Kamerasensor grob 7 Blendenstufen bewältigen kann. Ich werfe hier mal das Stichwort Zonensystem ein. Eine Alternative stellt die Trial-and-Error-Methode dar. Wir fotografieren die Szene so lange und geben bei jeder Aufnahme jeweils z.B. eine drittel Blende mehr Licht, bis das Histogramm gerade so noch keine Überläufe in den hellsten Bildbereichen bescheinigt. Ist die Aufnahme im Kasten, vorzugsweise im RAW-Format, können in der Bildbearbeitung am Computer anschließend die Schatten aufgehellt werden. Damit haben wir den Kontrastumfang der Szene so gestaucht, dass er doch noch "ins Bild passt". Gegebenenfalls sieht die gesamte Szene dann etwas flau aus. Einen Tod muss man in manchen Fällen eben sterben, das ist zum Glück aber nicht immer der Fall.

Beim Negativfilm würde man nun genau andersrum vorgehen: Nämlich die Schattenbereiche anmessen und so belichten, dass diese gerade so noch nicht absaufen. Für eine "normale" Belichtung geben wir also eigentlich zu viel Licht, aber durch den nichtlinearen Verlauf der Schwärzungskurve des Films kann dieser glücklicherweise sehr gut die Zeichnung in den Lichtern erhalten. Genau wie beim digitalen Bild müssen wir das "überbelichtete" Negativ nun durch angepasste Entwicklung wieder optimieren. Diesmal nur eben nicht am Rechner, sondern durch die chemische Entwicklung. Diese Thematik würde hier jetzt wesentlich zu weit führen. Sehr informativ zum Thema Kontrastbewältigung und damit auch zu angepasster Entwicklung ist meines Erachtens dieser Text von Wolfgang Mothes. Dort geht es um das zunächst nicht verwandt scheinende Thema "Nachtaufnahmen". Aber unbedingt lesen! Der Artikel ist äußerst interessant und natürlich auch wesentlich tiefschürfender (tiefer schürfend?) als meine kurzer Text hier.

Das alles ist wie aber weder mit der digitalen, noch mit den analogen Aufnahmen geschehen. Alles was ich getan habe, ist eine rudimentäre Vorgabe von Schwarz- und Weißpunkt beim Scannen der Negative. Sicher verfälscht das auch schon gewissermaßen das Ergebnis und erschwert die Vergleichbarkeit. Aber selbst wenn ich Rohdaten scannen könnte,  müssten die irgendwie interpretiert werden, um sichtbar gemacht zu werden. Außerdem ist das hier mein Amateur-Hobby-Blog und da geht  eine nicht 100%ig wissenschaftliche Arbeitsweise glaube ich in Ordnung.

Wenn ich vor diesem Hintergrund nun das ditigale Vergleichsbild mit den analogen Aufnahmen vergleiche, ist der Kontrastumfang digital nach Augenmaß ungefähr gleich dem im Negativ mit der Belichtungskorrektur EV-1. Unter dem Schreibtisch ist alles abgesoffen und auf dem Monitor ist am oberen Rand ein bisschen Zeichnung. Selbst in der "korrekt" belichteten Aufnahme mit EV+-0 findet sich am linken, senkrechten Teil des Schreibtischs im Schatten noch mehr Zeichnung als digital erfasst wurde. Aus diesem Blickwinkel heraus sind die 500 ASA des Films wohl tatsächlich erreichbar, wenn nicht sogar noch etwas mehr. Die im Gegensatz dazu oben von mir genannten 125 ASA sind eben genau äquivalent zu einer Belichtung auf die Schatten. Und vielleicht könnte man da mit noch etwas mehr Licht auch noch mehr Schattenzeichnung rausholen, ohne dass die Lichter ausfressen. Aber darum geht es in dieser Versuchsreihe ja überhaupt nicht. Korrekterweise müsste ich für die wirkliche Empfindlichkeitsbestimmung des Films wohl mal eine Belichtungsreihe mit Graukarte durchführen. Aktuelle empfinde ich diesen Gedanken allerdings als nicht extrem attraktiv, so dass das wohl in die Schublade "Mach ich irgendwann vielleicht mal" kommt. Wichtig ist ja, wie sich der Film später unter echten Fotografierbedingungen schlägt. Und dann wird sich bei normalen Motiven auch zeigen, ob bei einer Schwarzweiß-Entwicklung 500 ASA in Ordnung gehen. Später natürlich ebenso in C-41-Chemie.

Und jetzt noch ein paar abschließende Worte: Ich habe noch fünf Mehrwegpatronen mit dem Vision2-Material gefüllt und zwei davon bereits verschossen. Die werden wohl für die ersten Versuche mit meinem C-41-Kit herhalten müssen. Einer davon wurde wie 500 ASA belichtet, der andere wie 1600 ASA. Sinnvoll wäre es aber wohl, wenn ich meine ersten C-41-Versuche mit einem "regulären" Film durchführe. Wenn dann hinterher das Ergebnis nicht passt, weiß ich zumindest, dass ich schuld bin und nicht der Film.

Man darf jedenfalls gespannt sein und wie immer folgt die Information auf dem Fuß, wenn es was Neues gibt.

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